Leseprobe

Auszug aus dem Artikel

»Joseph und Peter Leopold auf erotischen Streifzügen«

von Barbara Wolflingseder

In Adelshäusern wurde das Mätressenwesen als eine Selbstverständlichkeit gelebt und ­akzeptiert. Wie es den Ehefrauen dabei ging, war irrelevant. Am Besten, man arrangierte sich mit der Situation, wie es die Gemahlin von Leopold  II. machte.

Das berühmte Bild der Brüder Joseph und Peter Leopold entstand 1769 bei einer gemeinsamen Romreise und ist heute im Kunsthistorischen Museum ausgestellt. Der Kaiser und der Großherzog der Toskana ließen sich damals, wie viele andere Aristokraten auch, vom italienischen Maler Pompeo Batoni porträtieren. Auf dem Gemälde reichen sich die Brüder die Hände in trauter Zweisamkeit. Doch war die Verbundenheit im wirklichen Leben tatsächlich so innig? Dafür waren sie eindeutig zu unterschiedlich. Dem um sechs Jahre älteren Joseph wurde ein gewisser Zynismus zugeschrieben, auch war er nicht der Geduldigste und galt als autoritär, etwas selbstherrlich und sehr sparsam bis geizig, wobei seine Toleranz und Menschenfreundlichkeit nicht unerwähnt bleiben sollen. Leopold war wie sein Vater Franz Stephan an Technik und Naturwissenschaften interessiert, hatte auch dessen Hang zur Melancholie und die Leidenschaft für das weibliche Geschlecht geerbt.

Und dennoch hatten sie etwas gemeinsam – beiden wurde ein Verhältnis mit Gräfin Josepha Windisch-Grätz nachgesagt.

Joseph war als junger Mann etwas sperrig und schüchtern in Liebesangelegenheiten und wurde am Hof der »ägyptische Joseph« genannt. Das änderte sich erst nach seiner ersten Hochzeit mit Isabella von Bourbon-Parma, in die er wahnsinnig verliebt war. Auch sie war wahnsinnig verliebt, jedoch leider nicht in ihn, sondern in seine Schwester Maria Christina, der sie glühende Liebesbriefe schrieb, in denen sie ihr etwa mitteilte, dass sie »an ihrem Busen sterben« möchte, sie »rasend lieben« würde und ihr »ertzenglisches Arscherl« küssen wolle. Nach der Geburt der zweiten Tochter, die nur wenige Minuten lebte, verstarb Isabella, und der Kaiser war untröstlich. Maria Theresia kannte jedoch kein Pardon, denn es musste ein männlicher Erbe her. Also wurde ein zweites Mal geheiratet. Die unglückliche Braut war Maria Josepha von Bayern, die von ihrem Ehemann von Anfang an verachtet wurde. Joseph dachte nicht daran, die Ehe zu vollziehen, es stellte sich also weiterhin kein Nachfolger ein. Nach zweijährigem Ehefrust starb die arme Seele, wie schon ihre Vorgängerin, an den Pocken. Eine dritte Hochzeit kam für ihn keineswegs in Frage, diesmal setzte er sich gegenüber seiner Mutter durch und führte nunmehr ein Single-Dasein. Gewisse Bedürfnisse versuchte er zunächst an Dirnen auszuleben, was ihn aber nicht zur Gänze befriedigt haben dürfte, wie er seinem Bruder Leopold anvertraute: »Ich habe auch die Lösung versucht und bin den öffentlichen Mädchen nachgelaufen. Aber diese Lösung schließt so viele körperliche Unannehmlichkeiten ein und sie erniedrigt den Geist so sehr, dass sie mich mit Ekel erfüllt!« Mit »körperlichen Unannehmlichkeiten« könnte die Gonorrhöe gemeint gewesen sein, die er sich bei seinen erotischen Exkursionen am Spittelberg eingefangen hatte. Der »Venusberg«, wie die Gegend auch genannt wurde, war eine Ansammlung von 58 üblen Kaschemmen, »wo der Wirt hübsche und kecke Mädchen hielt und wo täglich des Abends zwei oder drei Musikanten Tänze aufspielten … Da war nun alles dazu eingerichtet, um die Gäste so viel als möglich zu prellen, sie durch Tanz, Trank und durch frivole Liebkosungen der Mädchen in jene Stimmung zu versetzen, in der man nichts mehr schont und die Börse leert«, wie es Ignaz Franz Castelli, seineszeichens Jurist und Dichter des Biedermeiers, auszudrücken pflegte. Der Schriftsteller Joachim Perinet sah es ähnlich: »Mir scheint dieser unterhaltliche Ort, der als Berg seiner Thäler wegen berühmt ist, und seiner Hexen wegen der Blocksberg genannt zu werden verdiente, nur darum den Namen Spitalberg erlangt zu haben, weil er seine Bewohner und Besucher gewöhnlich am Ende in das Spital zu bringen pflegt.«

Joseph war ein Mann des Volkes, die »Bierhäuselmenscher« vom Spittelberg haben es ihm doch irgendwie angetan. Als er einmal – selbstverständlich inkognito – den Star vom »Löberl«, die »Sonnenfels-Waberl«, besichtigen wollte, dürfte er etwas mehr konsumiert haben als er bezahlen wollte. Der Wirt soll ihn daraufhin hochkantig hinausgeworfen haben, wovon noch immer die Worte über dem Torbogen in der Wirtsstube zeugen: »Durch dieses Thor im Bogen ist Kaiser Josef  II. geflogen, 1778.« Das »Löberl«, benannt nach einem steinernen Löwen, der nach wie vor die Hausecke ziert, heisst heute »Zur Witwe Bolte« und befindet sich im 7. Bezirk in der Gutenberggasse. Mit einer schönen Jüdin – oder war es die Frau des Försters im kaiserlichen Jagdgebiet Marchegg, darüber sind sich die Quellen nicht einig – soll Joseph  II. einen Sohn gehabt haben. Das behauptete Letzterer zumindest und ließ auf seiner Gruft die Inschrift K.J.S.J.P.V.F. anbringen, was soviel wie »Kaiser Josephs Sohn, Joseph Pargfrieder, vivi fecit« bedeuten soll. Pargfrieder, der als Armeelieferant zu Reichtum kam, ließ den Heldenberg bei Kleinwetzdorf errichten, zahlte den beiden Feldherren Wimpffen und Radetzky die Spielschulden und verlangte im Gegenzug von ihnen, dass sie sich testamentarisch dazu verpflichten mussten, sich in besagtem Grabmal bestatten zu lassen. Eine um 1775 in Karlsbad geborene Anna Maria Höfer, verheiratete Wewerka, meldete lange nach dem Tod des Kaisers Erbansprüche an. Die angebliche Tochter Josephs  II. bekam 400 Gulden zugesprochen, doch dürfte es sich dabei um Betrug gehandelt haben …

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